Copyright by Kadiwéu, Ethnologisches Museum Berlin, 2002

Ausstellung über die Kunst des Indianerstammes Kadiwéu aus Mato Grosso do Sul, Brasilien und über die erstmalige Anerkennung der Urheberrechte indigener Völker in Brasilien und Lateinamerika. Im Zusammenhang mit der Beteiligung der Frauen des Stammes an dem Projekt Umgestaltung des „Gelben Viertels“ in Berlin-Hellersdorf.

Auftraggeber: Verein des Stammes Kadiwéu (ACIRK), Ethnologisches Museum Berlin-Dahlem

Kuratoren: Dr. Richard Haas, Pedro Moreira Ausstellungsgestaltung und Umsetzung: NM Architekten Ausstellungsobjekte: historische Stücke (Keramik, Leder und Holz) der Kadiwéu aus der Museumssammlung, Manuskript von Guido Boggiani (um 1890), historische und zeitgenössische Fotografien und Filme, zeitgenössische Keramiken, Zeichnungen, Architekturmodelle. Fläche: ca. 400 qm

Ausstellungskatalog: Copyright by Kadiwéu - Von der Körperbemalung im Mato Grosso zur Fassadenfliese in Berlin. Die Kadiwéu - Indianer Ethnologisches Museum Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Kataloggestaltung: Annette Ochs Design und Nedelykov Moreira Architekten

Auszug aus dem Katalog (2002) Dr. Richard Haas

Die Fassadenfliesen, die seit 1998 die Plattenbauten im „Gelben Viertel“ in Berlin-Hellersdorf zieren, wurden von brasilianischen Kadiwéu-Indianerinnen gestaltet.
Vorbilder waren traditionelle Motive der Körperbemalung und der Keramikgestaltung. Die Ausstellung „Copyright by Kadiwéu“ zeichnet ihren Weg vom Mato Grosso bis Berlin nach.
Dabei spannt sich der Bogen von der Verwendung und Bedeutung dieser Muster im Leben der Kadiwéu über ihre Weiterführung in der zeitgenössischen Kunst bis hin zu dem transkontinentalen Architekturprojekt „Gelbes Viertel“, in dessen Rahmen erstmals die Urheberrechte brasilianischer Indianer an ihrer Kunst juristisch anerkannt wurden.
Wie die Muster auf der Haut stärken die Muster auf den Fliesen das Selbstwertgefühl und die Identität der Kadiwéu in einer Welt zwischen Tradition und Wandel.

Die Perspektive der Architekten Pedro Moreira

Die Verwirklichung der Fliesenpaneele mit den Motiven der Kadiwéu - Künstlerinnen war eine Herausforderung. Den Kontakt zu den Kadiwéu konnten die brasilianischen Kollegen über Alain Moreau aufnehmen. Seine Mittlerrolle war grundlegend für die Zusammenarbeit mit der Stammesvereinigung ACIRK und der brasilianischen Indianerbehörde FUNAI. Nach Monaten der Verhandlungen, unter der Beteiligung mehrerer Anwälte auf beiden Seiten, konnte ein Vertrag zwischen der Wohnungsbaugenossenschaft Hellersdorf GmbH und den Kadiwéu über die Nutzungsrechte an den Fliesenmustern abgeschlossen werden.
Wir freuen uns außerordentlich, dass die Beteiligung der Kadiwéu am Projekt ‘Gelbes Viertel’ zu einem Präzedenzfall wurde, der neue Perspektiven für die rechtliche Anerkennung der Kunst indianischer Gruppen eröffnet.
Architektur kann nicht nur behausen, sie kann auch verbinden. 

Copyright by Kadiwéu  Alain Charles Edouard Moreau, Rechtsberater der ACIRK, São Paulo

Das geistige Eigentum der Indianervölker wurde in Brasilien bisher sehr wenig respektiert.
Zeichnungen und Gegenstände wurden ohne die geringste Sorge um die Genehmigung durch die Urheber in Büchern veröffentlicht oder aber es wurden Zeichnungen zu einem sehr niedrigen Preis gekauft, ohne zu erklären, dass sie kommerziell reproduziert werden würden. Auch wurden sie kopiert und ihre Copyright-Registrierung eingeleitet, mit dem entsprechenden rechtsgültigen Hinweis auf die Reproduzenten, als wären diese die Urheber.
Fotos von Indianern und ihren Arbeiten wurden in Büchern abgebildet, das Urheberrecht einzig auf den Fotografen bezogen, wobei man stets die Rechte der fotografierten Indianer weder erklärte noch respektierte. Geschichten, Erzählungen und Mythen wurden auch von Ethnologen gesammelt, die sich darauf beschränkten, sie auf Band aufzunehmen und danach niederzuschreiben, um sich selbst schließlich alle dazugehörigen Urheberrechte zuzuweisen.
Die Verteidigung des geistigen Eigentums der Indianer stößt auf zwei Hindernisse:
Auf der einen Seite heißt es, ihre Kunst sei nicht individuell, sondern das Produkt der Kultur einer Gruppe und würde deshalb den Grad von bloßem Kunsthandwerk nicht überschreiten. Andererseits wird argumentiert, dass das brasilianische Recht kein Copyright von Gruppen oder Gemeinschaften berücksichtige, sondern nur von Individuen.

Das Register, das die 271 Zeichnungen der Indianerinnen umfasst und ihnen alle Rechte bezüglich des Copyrights zusichert, ist zwar bislang einmalig in Brasilien, aber beginnt schon Veränderungen zu bewirken, z.B. bei neuen Veröffentlichungen, im Umgang der Fachleute mit der indigenen Bevölkerung.