Grabstätte Familie Rathenau, Waldfriedhof Berlin-Oberschöneweide. Ehrengrab des Landes Berlin

Denkmal, 1902-1904, Architekt Alfred Messel, Bildhauer Hermann Hahn

Die Grabstätte der Familie Rathenau, einer der bedeutendsten Familien des deutsch-jüdischen Bürgertums des XIX. und XX. Jahrhunderts ist eine Ehrengrabstätte der Stadt Berlin. Hier ruhen Walther Rathenau (1867-1922), sein jüngerer Bruder Erich (1871-1903), der Vater, der Gründer der AEG Emil Rathenau (1831- 1915) und die Mutter Mathilde, geb. Nachmann (1845-1926) 

Auftraggeber: Landesdenkmalamt Berlin, Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin

Förderung: Land Berlin Landesdenkmalamt, Hermann Reemtsma Stiftung, Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, Auswärtiges Amt, Deutsche Stiftung Denkmalschutz.

Planung: Schadenskartierung, denkmalpflegerisches und historisches Gutachten, Sicherung, Instandsetzung und Restaurierung des Denkmals, einschließlich Arbeiten in der Gruft und an den Bestattungen.

Fertigstellung anlässlich der Feierlichkeiten zum 90. Todestag von Walther Rathenau am 24.6.2012 in Anwesenheit des damaligen Außenministers Guido Westerwelle.

Historie: Die Errichtung der Grabstätte der Familie Rathenau in Oberschöneweide war eng mit der Entwicklung des neuen Industriestandortes der AEG verbunden.1895 erwarb die AEG in Oberschöneweide ein 92.000 qm großes Areal für das Kabelwerk Oberspree, dem die Gründung und Ansiedlung zahlreicher weiterer Betriebe folgte. In unmittelbarer Nähe zum Kabelwerk kaufte Emil Rathenau außerdem ein rund ein Hektar großes Areal des Königlichen Forsts an der Wuhlheide und stiftete es 1902 einschließlich einer Friedhofskapelle und eines Wohnhauses für den Friedhofsverwalter der Gemeinde für einen kommunalen Friedhof, der im Februar 1903 anlässlich der Beerdigung des Königlichen Försters Witte eingeweiht wurde. Bereits eine Woche später fand das erste Erbbegräbnis statt, die Beisetzung des 31jährigen Erich Rathenau, Leiter des Kabelwerkes Oberspree, der überraschend während einer Ägyptenreise in Begleitung seines Vaters Emil gestorben war. Seine Leiche wurde aufgrund einer dort herrschenden Typhusepidemie einbalsamiert und von Assuan über Italien und Hamburg mit einem eigens dafür bereitgestellten Dampfer nach Berlin überführt. Die Trauerfeier für Erich, fand, wie später die für Emil, im “Automobilsaal” des Kabelwerks Oberspree statt. Vier Sonderzüge und die Straßenbahn mit Anhängewagen beförderten rund 20.000 Personen (meist AEG-Arbeiter mit ihren Angehörigen) aus Berlin nach Oberschöneweide, von denen viele den Leichenzug - vom Kabelwerk durch die Rathenaustraße bis zum Friedhof - begleiteten.

Walther Rathenau, Industrieller, Bankier, Schriftsteller, Künstler und seit dem 1. Februar 1922 Außenminister wurde am 24. Juni 1922 auf dem Weg in das Auswärtige Amt in der Nähe seines Hauses in der Königsallee von Mitgliedern der rechtsextremen “Organisation Consul” erschossen.

Die Grabstätte : Ein halbes Jahr vor Erichs Tod hatte Emil Rathenau die Errichtung der Familiengrabanlage bei dem namhaften Berliner Architekten Alfred Messel (1853-1909), u.a. Erbauer des Kaufhauses Wertheim in der Leipziger Straße, in Auftrag gegeben. Den bauplastischen Schmuck gestaltete der mit der Familie befreundete Münchner Bildhauer Hermann Hahn (1868-1945), Schüler Hildebrandts und einer der wichtigsten Vertreter der Münchener Bildhauerschule. Hahns Beitrag in dieser Zusammenarbeit hatte nicht nur additiven Charakter, sondern beeinflusste auch die stilistische Haltung der Planung Messels erheblich. Zum Zeitpunkt der Beisetzung von Erich Rathenau im Frühjahr 1903 war mit dem Bau der Gruft bereits begonnen worden, die vollständige Anlage wurde jedoch vermutlich erst Ende 1903 oder Anfang 1904 fertiggestellt. Die Anlage besteht aus einem Grabhof mit den Abmessungen 14,5 x 9 m und ist von einer über 4,0 m hohen Mauer aus fränkischem Kalkstein umgeben. Der monumentale Charakter mit der rustikalen Bossierung der Grabhofmauern, die grob behauenen über lebensgroßen Skulpturen, die Reliefs, das reiche ikono-graphische Programm und die Bezüge zur archaischen Antike und zu den Reform-Tendenzen in der Grabmalkunst der Zeit kennzeichnen die Grabanlage als ein Bauwerk der Übergangsphase zwischen dem Eklektizismus um 1900 und der frühmodernen Architektur.

Projektbeteiligte: Ingenieurbüro Rüdiger Jockwer

Mitarbeiter NM: Johannes Bausch, Lutz Heilmann

Natursteinarbeiten: FX Rauch, Berlin

Infotafel Rathenau-Grabstätte-PDF

landesdenkmalamt/denkmalpflege/erkennen-und-erhalten

Dokumentationen:

Anna Teut: Rathenau - AEG - Oberschöneweide, für das Landesdenkmalamt Berlin, 2010, 41 Seiten

Nedelykov Moreira: Denkmalpflegerisches Gutachten Grabanlage Familie Rathenau auf dem Waldfriedhof Oberschöneweide, Berlin Treptow-Köpenick. Entstehungsgeschichte des Waldfriedhofs Oberschöneweide, mit historischen Planunterlagen der Grabstätte Rathenau, Kurzbiographien der Familie Rathenau, des Architekten Alfred Messel und des Bildhauers Hermann Hahn, Sammlung von historischen Dokumenten zu den Beerdigungen von Erich, Emil und Walther Rathenau und der Geschichte der Grabanlage nach 1933.  Bestandsaufnahme 2008 und Sanierungskonzept, sowie Dokumentation der Baumaßnahmen. Für das Landesdenkmalamt Berlin, 2008 bis 2010.